Zum Hauptinhalt springen

Themen & Trends

Aktuelle Entscheidungen – Themen & Trends

Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens – BAG, Urteil vom 12.02.2025 – 5 AZR 171/24

Eine AGB, nach der ein Arbeitnehmer ein auch privat nutzbares Dienstfahrzeug im Fall der berechtigten Freistellung während der Kündigungsfrist entschädigungslos an den Arbeitgeber zurückgeben muss, ist wirksam. Die Regelung genügt den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB. Auch materiell ist die Widerrufsklausel wirksam, weil sie unter Berücksichtigung der Freistellung die dienstliche und private Nutzung in sachgerechter Weise verknüpft. 

Aktives Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben bei einer unternehmensinternen Matrix-Struktur – BAG, Urteil vom 22.05.2025 – 7 ABR 28/24

Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, hat bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe das aktive Wahlrecht. Das gilt auch für Führungskräfte in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrix-Struktur. 

Keine Pflicht zur Weitergabe der Tariflohnerhöhungen auf den übertariflichen Teil des Gehalts – LAG Köln, Urteil vom 19.02.2025 – 4 SLa 399/24

Gibt ein Arbeitgeber in der Vergangenheit einem außertariflich beschäftigten Angestellten die für die Branche vereinbarten Tariflohnerhöhungen in vollem Umfang auf sein gesamtes Gehalt weiter, hindert ihn kein Anspruch aus betrieblicher Übung daran, künftig Tariflohnerhöhung nur noch auf den dem Tariflohn entsprechenden Teil des Gehalts weiterzugeben. 

Vergütung eines Betriebsratsmitglieds – LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.02.2025 – 4 SLa 438/24

Die Darlegungs- und Beweislast für eine unzulässige Benachteiligung wegen des Betriebsratsamts trägt grundsätzlich das Betriebsratsmitglied. Spiegelbildlich wechselt die Darlegungs- und Beweislast auf die Arbeitgeberin, wenn sie gegenüber dem Betriebsratsmitglied geltend macht, eine in der Vergangenheit zugesagte und gezahlte Vergütung verstoße gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. 

Arbeitnehmerstatus – Marketingberater für Radio und Fernsehen – BAG, Urteil vom 17.12.2024 – 9 AZR 26/24

Liegen einer Tätigkeit mehrere Vereinbarungen über aufeinanderfolgende Aufträge zugrunde und ergibt die Gesamtbetrachtung, dass der Dienstverpflichtete Arbeitnehmer ist, kann ein einheitliches Arbeitsverhältnis vorliegen.

Zahlung einer Provision in Kryptowährung – BAG, Urteil vom 16.04.2025 – 10 AZR 80/24

Die Übertragung der sog. Kryptowährung Ether (ETH) zur Erfüllung von Provisionsansprüchen des Arbeitnehmers kann, wenn dies bei objektiver Betrachtung im Interesse des Arbeitnehmers liegt, grundsätzlich als Sachbezug iSv § 107 Abs. 2 S. 1 GewO vereinbart werden. Der unpfändbare Betrag des Arbeitsentgelts muss dem Arbeitnehmer aber in Geld ausgezahlt werden

Berechnung der Karenzentschädigung bei Aktienoptionen – BAG, Urteil vom 27.03.2025 – 8 AZR 63/24

In der Berechnung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 ff. HGB fließen Leistungen aus einem virtuellen Aktienoptionsprogramm nur dann ein, wenn die Optionsrechte noch im bestehenden Arbeitsverhältnis ausgeübt wurden. 

Sonderkündigungsrecht für schwangere Arbeitnehmerinnen – nachträgliche Klagezulassung – BAG, Urteil vom 3.4.2025 – 2 AZR 156/24

Erlangt eine Arbeitnehmerin schuldlos erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG Kenntnis von einer beim Zugang des Kündigungsschreibens bereits bestehenden Schwangerschaft, ist die verspätete Kündigungsschutzklage auf ihren Antrag gem. § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen.

Unzumutbarkeit eines Arbeitsangebots im Rahmen einer Änderungskündigung – BAG, Urteil vom 15.01.2025 – 5 AZR 135/24

Lehnt der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen nach Ausspruch einer Änderungskündigung ab, kann hierin ein böswilliges Unterlassen einer zumutbaren Tätigkeit liegen. Der Anspruch auf Vergütung bleibt jedoch bestehen, wenn die angebotene Tätigkeit unzumutbar ist. Dabei sind sozialrechtliche Maßstäbe nicht „eins zu eins“ auf die arbeitsrechtliche Bewertung des böswilligen Unterlassens einer Arbeit nach § 11 Nr. 2 KSchG zu übertragen. Unzumutbar ist das Änderungsangebot nach einer Kündigung, bei dem der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld 1 (ALG 1) liegt.

Die Anforderungen an einen gerichtlichen Vergleich sind nur bei verantwortlicher Mitwirkung des Gerichts erfüllt – LAG Köln, Urteil vom 6.2.2025 – 6 SLa 247/24

Ein von den Parteien verhandelter und dem Gericht nur zur „Protokollierung“ übersandter Vergleichstext wird den Anforderungen des Begriffs „gerichtlicher Vergleich“ in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG nicht gerecht. Die Befristungsvereinbarung in einem solchen Vergleich ist daher in aller Regel unwirksam.

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes – LAG Köln, Urteil vom 17.10.2024 – 6 SLa 172/24

Im Rahmen der Prüfung, ob böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst auf den von der Arbeitgeberin geschuldeten Annahmeverzugslohn angerechnet werden muss, erfordern die beiden unbestimmten Rechtsbegriffe „Böswilligkeit“ und „Zumutbarkeit“ (der anderweitigen Beschäftigung) jeweils eine Gesamtbetrachtung der beiderseitigen Interessen.

Verfall vom virtuellen Optionsrecht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – BAG, Urteil vom 19.03.2025 – 10 AZR 67/24

Bestimmt eine Verfallsklausel in AGB, dass zu Gunsten des Arbeitnehmers „gevestete“ virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Eigenkündigung sofort verfallen, benachteiligt diese den Arbeitnehmer unangemessen (§§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das Gleiche gilt für eine Klausel, die vorsieht, dass die „gevesteten“ virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der sog. „Vesting-Periode“ entstanden sind.

Anfechtung einer Betriebsratswahl – BAG, Beschluss vom 27.11.2024 – 7 ABR 32/23

Macht der Wahlvorstand bei der Durchführung einer Betriebsratswahl nach dem vereinfachten einstufigen Wahlverfahren den einzigen Wahlvorschlag schon vor Ablauf der gesetzlichen Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen nach § 14 a Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG bekannt, nachdem er ihn als gültig anerkannt hat, begründet dies allein nicht die Anfechtbarkeit der Wahl.

Keine AGB-Kontrolle bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf einen gesamten einschlägigen Tarifvertrag – BAG, Urteil vom 29.01.2025 – 4 AZR 83/24

Eine Inhaltskontrolle eines arbeitsvertraglich insgesamt in Bezug genommenen einschlägigen Tarifvertrags findet nach § 310 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 3 BGB nicht statt. Erst die Gesamtheit der Regelungen begründet die für die Bereichsausnahme erforderliche Vermutung der Angemessenheit. Einer Inbezugnahme des gesamten Tarifwerks bedarf es nicht.

Freistellung des Betriebsrats von Anwaltskosten – BAG, Beschluss vom 25.09.2024 – 7 ABR37/23

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber eine Freistellung von Anwaltskosten – vorbehaltlich deren Erforderlichkeit – für die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung von Rechten auch dann verlangen, wenn er der zunächst auf einem unwirksamen Beschluss beruhenden Beauftragung des Anwalts durch einen später ordnungsgemäß gefassten Beschluss nachträglich zustimmt.

Weiter Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien bei der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – BAG, Urteil vom 19.12.2024 – 6 AZR 131/23

Den Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Normsetzung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, wenn für die getroffene Regelung ein sachlicher Grund vorliegt, der dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen ist. 

Pflichten des Arbeitnehmers bei Überlassung eines Fahrzeugs – LAG Köln, Urteil vom 14.01.2025 – 7 SLa 175/24

Bei der Überlassung eines Fahrzeugs ist der Arbeitnehmer u.a. verpflichtet, den Arbeitgeber über Unfälle und auftretende Mängel unverzüglich zu informieren, damit dieser die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten kann (z.B. Mängelbeseitigung, Ausübung von Gewährleistungsansprüchen, Information von Versicherungen). Zu den Pflichten des Arbeitnehmers gehört es aber auch, das ihm überlassene Fahrzeug pfleglich zu behandeln und keine Schäden zu verursachen, die über die üblichen Gebrauchsspuren hinausgehen.

Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit – LAG Hamm, Urteil vom 13.01.2025 – 16 GLa 1182/24

Eine einstweilige Verfügung auf Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Da die Arbeitnehmerin im Rahmen des Anspruchs auf Elternzeit grundsätzlich nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, ist die Organisation der Kinderbetreuung anders als im Rahmen des allgemeinen Teilzeitanspruchs kein Argument für eine Teilzeit. Denkbar wäre allein der Fall, dass die Arbeitnehmerin auf Teilzeit während der Elternzeit zur Sicherung ihres Lebensunterhalts dringend angewiesen ist. In diesem Fall wäre der Teilzeitanspruch aber nur ein Mittel zur Durchsetzung von Entgeltansprüchen.

Einigungsstelle zur Regelung der Verteilung und Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen an außertarifliche Angestellte – LAG Hessen, Beschluss vom 10.10.2024 – 5 TaBV 99/24

An die Erfüllung der innerbetrieblichen Verhandlungspflicht bzw. das Scheitern der Verhandlungen sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn der Betriebspartner, der die Bildung einer Einigungsstelle anstrebt, einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen hat. Vertreten die Betriebspartner miteinander unvereinbare Standpunkte und sind sie nicht bereit, von diesen abzurücken, bedarf es zudem keiner weiteren innerbetrieblichen Verhandlungen, weil diese dann lediglich zu einer sinnlosen Förmelei würden. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins.

Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe – BAG, Urteil vom 19.02.2025 – 10 AZR 57/24

Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichung die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies, wenn eine nachträgliche Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 S. 1 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung aus.

Befristeter Arbeitsvertrag – Probezeitkündigung – BAG, Urteil vom 5.12.2024 – 2 AZR 275/23

Die Vereinbarung einer Probezeit, die der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, ist in der Regel unverhältnismäßig.

Unterlassener Zwischenverdienst während der Kündigungsfrist – BAG, Urteil vom 21.02.2025 – 5 AZR 127/24

Befindet sich ein Arbeitgeber nach Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug, schuldet er die Vergütung bis zum Ende der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Arbeitnehmer nur anrechnen lassen, wenn er wider Treu und Glauben untätig geblieben ist. Legt der Arbeitgeber nicht dar, dass ihm die Erfüllung des auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs unzumutbar gewesen wäre, besteht für den Arbeitnehmer keine Pflicht, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderes Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.

Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – LAG Köln, Urteil vom 7.8.2024 – 8 Sa 129/23

Eine zeitliche Koinzidenz zwischen Kündigungsfrist und Dauer der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit. Geringe Abweichungen in den Daten reichen nicht aus, um diese zu beseitigen.

Entgeltabrechnungen als elektronisches Dokument – BAG, Urteil vom 28.01.2025 – 9 AZR 48/24

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gem. § 108 Abs. 1 S. 1 GewO bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt.

Entzug eines Kunden aufgrund Kundenwunsches kann Diskriminierung darstellen – LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024 – 10 Sa 13/23

Will eine potentielle Kundin nicht von einer weiblichen Person (Arbeitnehmerin), sondern von einem männlichen Berater betreut werden, hat die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Reaktionsmöglichkeiten grundsätzlich den Schutzpflichten nach § 12 Abs. 4 AGG nachzukommen. Tut sie dies nicht, kann der Entzug der potentiellen Kundin aus der Betreuungszuständigkeit der Arbeitnehmerin eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG durch die Arbeitgeberin darstellen, die einen Entschädigungsanspruch auslöst. 

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes – BAG, Urteil vom 15.01.2025 – 5 AZR 273/24

Mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung setzt der Arbeitgeber die Ursache für Annahmeverzug. Der gekündigte Arbeitnehmer ist dann nicht verpflichtet, das daraus resultierende finanzielle Risiko des Arbeitgebers so gering wie irgend möglich zu halten.

Beweiswert einer im Nicht-EU-Ausland erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – BAG, Urteil vom 15.01.2025 – 5 AZR 284/24

Der Beweiswert einer im Nicht-EU-Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert sein, wenn nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des zu würdigenden Einzelfalls Umstände vorliegen, die zwar für sich betrachtet unverfänglich sein mögen, in der Gesamtschau aber ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung begründen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer in Deutschland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Kündigung, um Lohnkosten zu sparen, stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis dar – LAG Köln, Urteil vom 16.01.2025 – 6 Sa 633/23

Beruft sich eine Arbeitgeberin zur Begründung einer einzelnen Kündigung auf eine Unternehmerentscheidung, die in der Abteilung des betroffenen Arbeitnehmers eine Arbeitsverteilung zum Gegenstand hat und in einer anderen Abteilung eine Leistungsverdichtung, so ist die Arbeitgeberin nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des 2. Senats gehalten, das zugrundeliegende unternehmerische Konzept darzulegen (st. Rspr. seit BAG v. 17.06.1999 – 2 AZR 141/99). Nur mit einer solchen Darlegung gilt die Kündigung nicht als willkürlich oder sachwidrig. 

100% Homeoffice – kein gesetzlicher Anspruch und kein milderes Mittel – LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.2024 – 9 Sa 42/24

Die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu gestatten, stellt kein milderes Mittel gegenüber einer Änderungskündigung dar, mit der der Arbeitsort des Arbeitnehmers geändert wird.

Unwirksamkeit einer umfassenden arbeitsvertraglichen Vertraulichkeitsklausel – BAG, Urteil vom 17.10.2024 – 8 AZR 172/23

Eine formularmäßig vereinbarte Vertragsklausel, die den Arbeitnehmer bezüglich aller internen Vorgänge beim Arbeitgeber über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zeitlich unbegrenzt zum Stillschweigen verpflichtet (sog. Catch-all-Klausel), benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam.

Inflationsausgleichsprämie für Mitarbeiter in der Passivphase der Altersteilzeit – BAG, Urteil vom 12.11.2024 – 9 AZR 71/24

Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, vom Bezug einer tarifvertraglich geregelten Inflationsausgleichsprämie kann unter Berücksichtigung der verfolgten Zwecke unwirksam sein.

Darlegungslast für bonusrelevante Leistungsbewertung – LAG Hessen, Urteil vom 11.10.2024 – 14 Sa 943/23

Verhindert ein Arbeitnehmer das Entstehen derjenigen Unterlagen, die nach den beim Arbeitgeber geltenden betrieblichen Regeln eine wesentliche Grundlage für seine Leistungsbeurteilung bilden, die wiederum Auswirkungen auf die Festsetzung seines Bonus hat, weil er entgegen seiner Verpflichtung keine Feedbacks zu Arbeitsergebnissen einholt, reduziert dies die Darlegungslast des Arbeitgebers für die Richtigkeit der von ihm vorgenommenen Leistungsbewertung. 

Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG – Einwand des Rechtsmissbrauchs – BAG vom 19.09.2024 – 8 AZR 21/24

Das Verlangen eines erfolglosen Bewerbers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, wenn sich aufgrund einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Bewerber sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum ging, nur den formalen Status als Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung geltend machen zu können. 

Befristung eines Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich – LAG Niedersachen 10.09.2024 – 10 Sa 818/23

„Ein Sachgrund zur Befristung durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG ist nicht nur gegeben, wenn der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts zustande kommt. Es genügt auch ein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 278 Abs. 6 ZPO, der auf übereinstimmenden Vorschlag der Parteien geschlossen wird.“

Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung eines konzernweit eingeführten Personalfragebogens – LAG Köln, Beschluss vom 28.01.2025 – 9 TaBV 89/24

Der Gesamtbetriebsrat kann wegen offenkundiger Unzuständigkeit nicht gemäß § 100 ArbGG die Einsetzung einer Einigungsstelle hinsichtlich des Inhalts und der Nutzung eines Personalfragebogens durchsetzen, wenn der Fragebogen nach Konzernvorgaben unternehmensübergreifend eingeführt wird. In diesem Fall ist dem Arbeitgeber eine Regelung auf der Unternehmensebene subjektiv unmöglich 

Verlängerung der Kündigungsfrist in der Probezeit – LAG Hessen, Urteil vom 29.10.2024 – 8 Sa 1057/23

Die Verlängerung der Kündigungsfrist auf sechs Monate stellt sich nicht als rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, sondern war dem Umstand geschuldet, dass der Klägerin noch einmal eine Bewährungschance eingeräumt werden sollte. Die von der Beklagten gewählte sechsmonatige Kündigungsfrist ist noch sachgerecht, da die längste gesetzliche Kündigungsfrist nicht überschritten wurde. 

Zuschlag aus einem Sozialplan wegen Schwerbehinderung, LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.06.2024 – 2 Sa 163/23

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor, wenn bei der Aufstellung eines Sozialplans wegen Betriebsstilllegung Sonderabfindungen nur für solche schwerbehinderte Arbeitnehmer vorgesehen sind, deren Schwerbehinderteneigenschaft zu dieser Zeit feststeht. Es ist den Betriebspartnern gestattet, bei der Aufstellung eines Sozialplans den Kreis der Schwerbehinderten, denen sie Sonderleistungen zukommen lassen wollen, anders abzugrenzen als dies nach dem Schwerbehindertengesetz der Fall ist, sofern diese andere Abgrenzung nicht willkürlich ist.

Kein Annahmeverzugslohn bei Arbeitsunfähigkeit – BAG, Urteil vom 4.12.2024 – 5 AZR 276/23

§ 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB findet keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs erkrankt und ihm deshalb die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich wird.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Beweiswert ärztlicher AU-Bescheinigungen – BAG, Urteil vom 21.08.2024 – 5 AZR 248/23

Besteht zwischen der in Kenntnis einer – ggf. noch bevorstehenden – Kündigung bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist zeitliche Koinzidenz, ist dies auffallend und ungewöhnlich und damit im Regelfall geeignet, den Beweiswert entsprechender AU-Bescheinigungen zu erschüttern.

Erschütterung des Beweiswertes eines ärztlichen Attestes – Darlegung und Beweislast des Arbeitnehmers – LAG Sachsen, Urteil vom 20.09.2024 – 4 Sa 241/22

Ein hinreichend gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls und damit für die mögliche Erschütterung des Beweiswertes der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist regelmäßig dann gegeben, wenn sich an eine erste Arbeitsverhinderung im engen zeitlichen Zusammenhang eine weitere Arbeitsunfähigkeit anschließt. Ausgehend davon ist der Beweiswert eines ärztlichen Attestes erschüttert, wenn zwischen dem Ende einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit und der erstellten Erstbescheinigung einer Neuerkrankung lediglich ein Wochenende liegt. Der Arbeitnehmer hat nunmehr Umstände und Tatsachen vorzutragen, die eine Neuerkrankung glaubhaft macht. Dies kann zunächst in der Schilderung der akut auftretenden Gesundheitsbeschwerden liegen, in deren Folge die als Zeugin benannte behandelnde Ärztin vom Gericht vernommen werden muss. Das Ende der alten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer durch ärztliche Befund- und Entlassungsberichte nachweisen. 

Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe – LAG Köln, 06.02.2024 – 4 Sa 390/23:

„Eine Zielvorgabe, die so spät im maßgeblichen Geschäftsjahr erfolgt, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, ist so zu behandeln, als hätte es überhaupt keine Zielvorgabe gegeben. Ein so später Zeitpunkt ist anzunehmen, wenn bereits drei Viertel des Geschäftsjahres abgelaufen ist. Bei einer fehlenden Zielvereinbarung ist eine variable Vergütung im Umfang von 100 % zu zahlen.“

Befristungskontrollklage- Auslegung des Klageantrags – LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2024 – 3 SLa 319/24

Um im Wege der Auslegung eines Klageantrags abweichend vom Antragswortlaut eine andere und in der Klagebegründung nicht erwähnte Befristungsabrede zum Streitgegenstand einer Befristungskontrollklage zu machen, müssen sich klare Anhaltspunkte für diesen Klagewillen aus Klageschrift und Anlagen zu entnehmen können.

Befristung des Arbeitsvertrages bedarf eines sachlichen Grundes – LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20.08.2024 – 2 SLa 19/24

Der Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs setzt voraus, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht.

Haltlose Anschuldigungen gegenüber anderen Beschäftigten – LAG Mecklenburg-Vorpommern, 10.09.2024 – 5 Sa 86/23

Die Erhebung und/oder Verbreitung haltloser Anschuldigungen gegenüber anderen Beschäftigten, insbesondere der grundlose Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Verhaltens, kann nach vorangegangener einschlägiger Abmahnung eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Verwertung von ehrverletzenden Äußerungen in einer privaten W…App-Chatgruppe – LAG Niedersachsen, Urteil vom 30.09.2024 – 15 Sa 787/23

Ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber oder Kollegen in einem privaten W… App-Chat können geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen für eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Äußernden nicht vorliegen. 

Vertragliche Vereinbarung des Wegfalls von Prämien im Falle einer Freistellung – ArbG Aachen, Urteil vom 19.11.2024 – 8 Ca 3230/23

Der mit einem Cheftrainer im Profifußball vertraglich vereinbarte Wegfall von Punkt-, Zuschauerschnitts-, Aufstiegs- und Pokalgewinnprämien im Falle einer Freistellung ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn entweder der Anteil der wegfallenden Prämie an der Gesamtvergütung mehr als 25 % betragen kann oder der Wegfall bei jeder Freistellung auch ohne Sachgrund erfolgen soll. Voraussetzung ist, dass eine solche vertragliche Vereinbarung eine allgemeine Geschäftsbedingung gemäß §§ 305 ff. BGB ist und sie weder durch den Arbeitnehmer eingeführt wurde (§ 310 Abs. 3 Nr.1 BGB) noch zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB) wurde. 

Gesamtbild der Arbeitsleistung entscheidet über Zuordnung als abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit – LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.7.2024 – L 9 BA 8/22

Bei einem Ingenieur, der für ein Ingenieurbüro projektbezogen hochspezialisierte Leistungen der Fassadenplanung erbringt und weder nennenswert in die Arbeitsorganisation des Büros eingegliedert ist noch Weisungen des Büros unterliegt, ist von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, auch wenn dieser über mehrere Jahre kontinuierlich Leistungen für das Büro erbringt und dafür eine regelmäßige erhebliche Vergütung nach aufgewendeten Stunden erhält.

Vergütung von Reisezeiten bei Auslandsentsendung – BAG, Urteil vom 17.10.2018 – 5 AZR 553/17

Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten.

(Kein) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat bei Betriebsveräußerung – LAG Thüringen, Beschluss vom 13.03.2024 – 4 TaBV 3/23

Eine Betriebsveräußerung an sich und der Verkauf von Unternehmensanteilen stellen keine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung nach § 111 BetrVG dar. Die Einigungsstelle ist zwingend primär zuständig für die Frage, ob ein Anspruch auf Herausgabe oder Einsicht in Unterlagen nach § 109a BetrVG besteht.

Virtuelle Aktienoptionen erhöhen Karenzentschädigung – BAG, Urteil vom 27.03.2025 – 8 AZR 63/24

Sogenannte Virtual Shares, die als Gehaltsbestandteil ausgegeben werden, muss der Arbeitgeber bei einer Karenzentschädigung einrechnen. Es kommt aber auf den Zeitpunkt an.

Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf unwirksame Betriebsvereinbarung – LAG Hamm, Urteil vom 19.12.2024 – 18 SLa 667/24

Enhält eine Betriebsvereinbarung Bestimmungen, die gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen, so führt eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel („Die Arbeitszeit ist mehrschichtig und ist in Betriebsvereinbarungen festgelegt“) regelmäßig nicht dazu, dass die gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßenen Bestimmungen der Betriebsvereinbarung wirksamer Bestandteil des Arbeitsvertrags werden.

Angemessenheit einer Entschädigung nach AGG-Verstoß – LAG Köln, Urteil vom 19.12.2024 – 8 SLa 109/24

Bei der Grenze in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG handelt es sich um eine Kappungs- bzw. Höchstgrenze, die nur dann eine Rolle spielt, wenn die Höhe der angemessenen Entschädigung drei Bruttomonatsentgelte übersteigen sollte. Im Falle einer geringeren Schwere der Diskriminierung und einem fehlenden Schaden kann ein Gehalt im Einzelfall angemessen sein.

Nachträgliche Kürzung einer Vorstandspension wegen wirtschaftlicher Notlage – OLG Köln, Urteil vom 26.09.2024 – 18 U 35/24

Die Kürzung einer Vorstandspension wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens zu einem Zeitpunkt mehr als 20 Jahre nach Beginn des Rentenbezugs kommt regelmäßig nicht in Betracht. Vertragliche Kürzungsvorbehalte sind regelmäßig gem. § 307 BGB unbillig und unwirksam.

Zuständigkeit der Einigungsstelle – LAG Hessen, Beschluss vom 24.10.2024 – 5 TaBV 123/24

Nach dem Offensichtlichkeitsgrundsatz des § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kann eine Nichterfüllung der Verhandlungs- und Beratungspflichten gemäß §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 111 Satz 1 BetrVG mit der Folge einer noch nicht anzunehmenden Zuständigkeit der Einigungsstelle nur angenommen werden, wenn die subjektive Einschätzung des die Einigungsstelle anrufenden Betriebspartners über das Scheitern der Verhandlungen oder über die Verweigerungshaltung der Gegenseite offensichtlich unbegründet ist. Andernfalls würde der in § 100 ArbGG zugrundeliegende Beschleunigungszweck konterkariert werden, nach dem beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung gestellt werden soll.


Themen & Trends zum Thema Arbeitsrecht. Ein Bild von einem Mann der eine Treppe hinaufgeht.
Cookie Consent mit Real Cookie Banner